Sevilla: EXPO´92/Electa.1992. Joan Sureda i Pons. Wissenschafts- und Museumdirektor.
[…] Und das auch ist, was Kunst undKultur um 1492 zeigen will: das Vorhandensein einer gemeinsamen Kunst, wenn man die Schönheit eher emotional als intellektuell auffaßt, wenn man annimmt, daß die Kunst nicht außerhalb der Dinge zu suchen ist, sondern in den Dingen selbst, in der Übereinstimmung mit ihrer Funktion und der Form, die ihr Wesen erfordert. Der Gedanke, den der Sufist al-Gazzali in einer Abhandlung über die Regenerierung der Religionswissenschaften ausdrückte, ist wohl für alle Kulturen gültig. "Die Schönheit liegt nicht in den Wahrnehmungen des Blicks, nicht in der Harmonie der Gesichtszüge noch in der Vermischung des Roten mit dem Blauen, denn wir sagen: das ist eine schöne Inschrift, und das ist eine anmutige Stimme, das ist ein wohlgestaltetes Pferd: wir sagen aber auch, daß dieser Stoff schön ist und dieser Behälter anmutig. Welche Bedeutung hat also die Schönheit der Stimme, der Inschrift und der anderen Dinge, wenn nicht ihre Form?(...). " In Kunst und Kultur um 1492 wird die Form sowohl in Hinsicht auf ihre Funktionalität, sei diese nun primär oder symbolisch, wie in Hinsicht auf ihre Schönheit verstanden. Das führt dazu, daß die Landschaften von Shen Zhou mit den Bildern von Leonardo da Vinci sprechen.können, daß die Geräte des alltäglichen Gebrauchs aus Afrika neben geometrischen islamischen Formen gezeigt werden können. Aber sogar diese letztere Gegenüberstellung, die von Nützlichkeitabstrakter Form, ist eher scheinbar als wirklich. Obschon es gewiß ist, daß für den islamischen Menschen die Vorstellung der höchsten Schönheit das Ergebnis einer von der Vernunft und nicht von den Sinnen geleiteten Wahrnehmung sein mußte, so ist es dennoch genauso gewiß, daß dieser Mensch auch fähig sein mußte, die Schönheit in den Dingen dieser Welt aufspüren zu können, die, obwohl zufällig und vergänglich, zur Gesamtheit . des Erhabenen zählte. (Joan Sureda, de «Kunst und Kultur um 1492. Die Ausstellung »)